1990-12-11 | Der Morgen – Naive Malerei ganz raffiniert
Vielversprechende Ausstellung mit Werken von Sebastian Heiner
Mark Schneider
Die Begriffe „raffiniert“ und „naiv“ widersprechen sich eigentlich. Die sich vorwärtstastende Malerei von Sebastian Heiner macht diese dich gegenüberstehenden Synonyme auf kuriose Weise annehmbar. Informell im Ansatz entdeckt man immer wieder Figuren, die ein – wahrscheinlich bedeutungsloses, oder besser absichtsfreies – Spiel durchexerzieren. Oder geht es ihm darum, die alltägliche Theatralik – unsere rituellen Gesten und Handlungen gleichzeitig – transparent erscheinen zu lassen andererseits wieder zu verschleiern und zu verrätseln?
In den farbigen Werken tauchen ständig große Füße mit oder ohne Stiefel und Hände auf, da verneigt man sich, schreitet aus, verharrt in einer sich vorwärtsbewegenden Stellung. Ein Bild, die Assoziation an einen OP-Saal hervorrufend, in schemenhaftem Grün die Kittel der Chirurgen. Das skizzenhafte Gemälde einer nächtlichen Begegnung – man umarmt und küßt sich. Die Farben braun und grün bzw. blaugrün, dazu, im Kontrast, weiße Gewänder, die wiederum verschleiernd wirken. Ein anderes Mal schleppen skelettartige Figuren eine Mumie wie bei einer Prozession, ein Dinosaurierfuß ragt hervor. Ein Ufo schwebt über der Szene. Stark eingemischtes Weiß und Rosa dominieren als Grundtöne das gesamte Bild. Ein amüsantes und etwas aus dem Rahmen fallendes Werk ist das dickliche Doppellottchen. Zwei voluminöse weibliche Tonnen, das heißt zwei gewaltige Frauen, die wie Oktoberfestbedienungen aussehen, haben den Trachtenlook angelegt und stehen aufrecht auf modernen hochhackigen Schuhen wie ein Bild im Bild. Hier wirken die Gestalten nicht so skurril verfremdet und verzogen wie es der Künstler sonst liebt. Am überzeugendsten, und seine Sicht dieser Zwischenwelt näher zu bringen, ist es Sebastian Heiner mit deinen Zeichnungen gelungen. In den mit Bleistift auf Papier geschaffenen Werken tummeln sich eigenartige Wesen, überschreiten mit langgezogenen Beinen irgendeinen Schacht, der sich inmitten einer merkwürdigen Stadtlandschaft befindet, wie zur Begrüßung erwartet von einer nicht minder komischen Figur, die mit einer Stachelhalskrause bewehrt ist. Auf einer anderen Zeichnung fallen bunkerartige Häuser zur Seite. Der Himmel wird von mehreren Sonnen und Monden bevölkert und immer wieder tauchen diese eigenartigen Wesen auf, die ihre Begegnungszeremonien begehen.