1996-02-21 | Die Welt – Fine Art mit Feinripp und Frottee
„Liebe & Tod“ heißt die neue, intime Ausstellung der Galerie Rafael Vostell
GW. – Der erste Blick des Besuchers fällt auf Modell „Frottee Fred“ (Größe 6!), gleich daneben auf das Modell „Florentina Feinripp“ (Größe 40!), zwei pastellfarbene Boxershorts, die über der Tür des kleinen Ausstellungsraumes in der Galerie Fine Art Rafael Vostell hängen. Nein, nein, keine echten! Das Unterhosen-Duo auf Papier (hinter Plexiglas!) gehört zur Serie „Liebestöter“, die KA Bomhardt für „Liebe & Tod“, die neue Ausstellung Galerie in der Niebuhrstraße 2, kreiert hat. Ein ironisches Zitat auf die Wortschöpfung „Liebestöter“. „Nach den ´bewegten` multimedialen Ausstellungen von Costantino Ciervo und Nam June Paik wollte ich nun eine persönliche und intime Ausstellung zusammenstellen“, erzählt Rafael Vostell. Das ist ihm gelungen. Die Spannung der Schau, die sich ausschließlich auf Papierarbeiten von elf Künstlern konzentriert, ergibt sich aus der individuellen Auseinandersetzung mit dem Thema „Liebe und Tod“. Werke etablierter Künstler, darunter Picasso mit seinen Frauenbildnissen „ Femme endormie“ und „Françoise“, Wolf Vostell mit seinen „Drei Grazien“ und der kürzlich verstorbene Fluxuskünstler Al Hansen, finden hier mit denen junger Berliner Künstler zusammen – eine interessante Mischung. Leise, ja poetisch sind die Arbeiten, gleichwohl fehlen groteske und grelle Akzente nicht. Das macht den Reiz der Ausstellung aus. Mit seinem „Versprechen“ scheint Costantino Ciervo nur auf den ersten Blick aus dem Rahmen zu fallen. Sein Faible für hochkomplizierte Elektromaschinchen hat sich auch hier wieder durchgesetzt: Aneinandergeklebte Bildausschnitte von Gesichtern laufen surrend, einem endlos-Filmstreifen gleich, an den Augen des Betrachters vorbei. Ein Gesicht reiht sich an das andere, eine anonyme Masse. Rechts und links davon: zwei Elektrokästchen, die nur Bilder von Ohren ausspucken. Das Ganze kombiniert Ciervo mit einem schrecklichen Kriegsfoto: ein totes Kind und seine Mutter. Im hinteren Ausstellungsraum sind die zwei Heiner-Brüder mit ihren Zeichnungen eingezogen. In seinem phantasievollen zehnteiligen „Tagebuch der Liebe“, erst im Januar entstanden, hat Sebastian Heiner sehr persönliche Alltagserlebnisse und Träume festgehalten – surreal verfremdet und überhöht. Seine Figuren scheinen sich langsam in schwankenden Räumen zu verlieren. Bruder Hannes geht noch weiter: Seine Bilder verdichten sich zu einer gewaltigen Phantasmagorie, voll sexueller Assoziationen. Seltsame Zwitterwesen, Gnome und Monster mit glotzenden Augen bevölkern seine skurrile Welt. Düster, eine Apokalypse vorwegnehmend, erscheinen die Kriegsbilder von Egon Schrick. Seine vibrierenden Schreckensgestalten – mit flüchtigen, aufgekratzten Strichen aufs Papier gebannt – tanzen gleichsam dem Tod entgegen. Schon in anderen Sphären bewegen sich die nur schwer zugänglichen „himmlischen Zeichen“ von Albert-Maria Pümpel. Einer religiösen Initiation gleich beschwört er „Mari“ und „Jesus“. (Bis Ende Februar.)