1995-01-23 | Die Welt – Zwischen Engelwesen, Hühnern und Kopffüßlern
Junge Berliner Künstler zeigen in Rafael Vostells Galerie „Fine Art“ ihre Werke
von Holger Wild
Ein „Grüner Bock“, ohne Leib, ohne Füße, fast mannshoch. Zwischen den straffen Falten schimmert Rot, sonst ruht das Objekt in verschlossener Stille asexuell. Dementiert in fast viktorianischer Strenge das, was wir gemeinhin mit „Rock“ verbinden: Weiblichkeit.
Dicht daneben ein Rumoren. Der rostige „Kopffüßler“ kreischt und knallt, seine Zunge schlägt, aus dem Schädel fährt ihm ein rosiges Wesen und verschwindet wieder. Daneben lädt die Latex-Klaue des „Königs-Schmolk“ dazu ein, geschüttelt zu werden. Die kinetischen Objekte der „Dead Chickens“ sind jetzt neben Nadine Rennerts „Rock“ und Werken von 13 weiteren jungen Berliner Künstler in Rafael Vostells Galerie Fine Art ausgestellt. Der Gang durch die Räume gleicht einer Wechseldusche, Körperbilder, elektronische Apparaturen, Rauminstallation und Tafelbildmalerei, alles ist versammelt. Entsprechend allgemein der Titel der Schau: „Standpunkte“. Das offenbar einzige Auswahlkriterium scheint gewesen zu sein, „qualitätsvolle“ Arbeiten zu zeigen. Einige von ihnen wirken das schon gediegen. Sebastian Heiners blaurot aufgewühlter, expressiver „Berg“, Armin Völckers berlingraue Stadt(bahn)ansicht „Chrlbg.“, Albert-Maria Pümpels mystische „Engelwesen“, Axel Lischkes Thematisierung des Gebrauchsgegenstands als Skulptur („o.T.“) – sie sind zu „fertig“, zu selbstgewiß zu ansprechend und zu wenig suchend, um wirklich spannend zu sein. Andrea Kümpel auf der anderen Seite hat zwar ihren ganz eigenen Ansatz, Gesichtsteile monumental zu vergrößern, doch der trägt sie kaum über das Läppische hinaus. Was auch für die „Dead Chickens“ gilt, deren Skurrilitäten nichts sind als auf ihre Art und trotz Lärm nur dekorativ. Bleiben Oliver Oefelein und Ka Bomhardt mit einer gemeinsamen, lindgrünen Rauminstallation. Bleiben die sinister skelettierten Kassettenrekorder Ottomar Kiefers und die falsche Assoziationsfährten legende Wort-VIP-Koppelung Costantino Ciervos. Schön auch Jürgen Baumann, der einen irritierenden, neuen Körper erfindet, indem er getrennte Körperteile ineinander blendet – das so entstehende „Zugleich“ der Organe befreit sie von ihren traditionellen Funktionen, läßt sie obwohl „verpflanzt“, sie selbst sein. Und sehr schön Mark Hippers vorsichtig ertastete, schwarzweiß er-malte „Köpfe“.