Der Wind schnitt kalt und feucht in unsere Gesichter als wir von unserer Unterkunft in Nähe der Lubjanka in Richtung Roter Platz schritten. Keine ungewöhnliche Begrüßung die Moskau für seine Gäste im späten November bereit hält. Leicht fröstelnd tappten wir durch die weihnachtlich, glitzernde Nikolskaya Strasse vorbei am GUM hin zum Zentrum Moskaus – dem Roten Platz.
Schon von Weitem grüßte der Nikolausturm des Kremls und verkündete die baldige Ankunft auf dem wohl bekanntesten Platz Moskaus. Wie immer, wenn man das erste Mal oder nach längerem Fernbleiben auf dem Roten Platz eintrifft, ist man im ersten Moment etwas sprachlos über die Erhabenheit und die Atmosphäre des Krasnaja Ploschad. Insbesondere wenn es ein kalter Abend ist und der Hochnebel traurig über der Stadt wabert. Etwas geduckt liegt das Lenin-Mausoleum inmitten des Weihnachtsbrimboriums und des vor ihm aufgebautem Weihnachtsdorfes an der Kremlmauer. Hier kann der weihnachtlich gestimmte Russe und auch die internationalen Besucher, in Rufweite Lenins, die nicht unbedingt zum Ort passende Eisbahn und die dazugehörigen Amüsierbuden für allerlei Kurzweil nutzen.
Der morgendliche Gang in die Tiefen der Moskauer Metro, um zur Christ-Erlöser-Kathedrale zu fahren, glich einem Abstieg in einen Bunker. Die ratternden Rolltreppen, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, fuhren uns durch leicht muffige, feuchte Luft hinab in die eigentliche Station, in der im 50 Sekunden-Takt die mit Getöse ein- und abfahrenden Züge aus den schwarzen Tunneln donnerten. Als Teil einer grauen, zähflüssigen Menschen-Masse wurden wir in den Zug geschoben und wenig später in die Zielstation Kropotkinskaya geschwemmt. Vorbei an den alten Bunkertüren, die viele Metrostationen in Moskau aufweisen, strebten wir, immer noch Teil der Masse, gen Ausgang, zum Licht, um wenige Augenblicke später die vor uns aufragende, mit güldenem Dach glänzende Christ-Erlöser-Kathedrale zu erblicken.
Der Streifzug durch die heiligen Hallen der Russisch-Orthodoxen Kirche stand im krassen Gegensatz zu den Hallen und Tunneln aus deren Schlund wir gerade gekommen sind. Andächtige Ruhe, leichter Weihrauchgeruch und die doch so andere Anmut der Wand- und Deckengemälden der Kathedrale verglichen mit ihren westlichen Verwandten. In einer wohltuenden Abstinenz des ans Kreuz geschlagenen Heilands betraten wir die Katakomben der Kathedrale. Wieder im Untergrund angekommen, der sich jedoch erheblich von den Katakomben der Metro unterscheidet, erheischten wir die Blicke eines alten Mönches, der grauhaarig in der Ecke hockte und sich mit seligem Lächeln einen Kamm durch das lange, schüttere Haar zog und sich seiner letzten verbliebenen Eitelkeit nicht schämte.