1996-08-04 | Berliner Morgenpost – Im Spannungsfeld zwischen Heiterkeit und Apokalypse
Galerie Fine Art zeigt Arbeiten Sebastian Heiners
René Schipp
Die große Figur des „Sonnenmannes“ von Sebastian Heiner beherrscht einen Raum ganz. Sein schmaler, nach vorne geneigter Körper wird von der Gebärde riesenhafter Hände bestimmt. Die ungeheuer beweglichen Finger sind wie Kraftfelder der Kreativität durchdrungen. Ein flirrendes Gelb des Kopfes und Oberkörpers hebt die lehmfarbenen Töne des Körpers noch stärker hervor. Draht, Holz, Leim, Makulatur, Gips und Acrylfarbe sind die Materialien, aus denen die Skulptur geformt ist.
Diese Technik verhilft dem „Sonnenmann“ in der Galerie Fine Art auch zu einer Beweglichkeit, die ihn scheinbar schweben läßt. Kreatürliche Lebendigkeit und Abstraktion vereinen sich in beachtlichen Variationen in den anderen Skulpturen Heiners. Eine weibliche Figur „Sie“ wird in den Kontrasten ihrer weichen Rosa- und kühlen Blau- und Grüntöne zum Inbegriff sommerlicher Heiterkeit und Gelöstheit. An ihr fällt die sanfte Bewegung der Arme auf. Die Farben des Sommers sind auch in den Grün-Weiß-Orange-Streifen des Kleides wahrzunehmen. Das gleißende Sonnenlicht, die abgestuften Grüntöne von Wäldern und bewegtem Wellenspiel der Seen scheinen sich in der pastellfarbenen Frau wie in einem Spiegel zu fangen. Fast heitere Erfüllung und sinnliche Daseinsfreude beseelt „Sie“. In der Gouache „Streit“ bestimmen ineinanderfließende Farbvolumina – Abstufungen von Grau, Rosa, Grün und Schwarz oder Braun – die erregte Dreiergruppe. Die Spannungen der Auseinandersetzung sind in der heftigen Gestik der Figuren herausfordernd sichtbar. Die Farbkontraste verstärken die Wirkung einer gereizten und widerspruchsvollen Stimmung. In der „Liegenden“ verschmelzen Figur und Waldesdickicht zu einer organisch lebendigen Einheit. Der Wald und seine Tierwelt werden angesichts verschränkter Bäume, samtiger Moosflächen zu einer bewegten Szenerie, in deren Lichtschneise die „Liegende“ wie auf einer Bühne lagert. Ein Vogel blickt sie erstaunt an. Die weibliche Figur ist in einem Augenblick völliger Gelöstheit eins mit der Natur.
Das Bild „Köpfe“ zeigt dagegen Züge tödlicher Bedrohung, die in der metaphysischen Komposition „Fortgang“ zu fast apokalyptischer Bedrängung werden. Wie in einem Alptraum macht die Mittelpunktfigur einen Schritt ins Ungewisse: drei große Figuren in ihrem Rücken scheinen sie in den Abgrund zu stoßen. Eine dritte Figur umklammert ihren Hals.
In der Vielseitigkeit seiner Ausdrucksmittel läßt Sebastian Heiner eine leidenschaftliche Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der figurativen Gestaltung erkennen. Seine Thematik ist überzeugend und von beeindruckender formaler Differenziertheit geprägt.