2008-04-11 | Die Welt – Der Außenminister auf Kunstkurs
Gabriela Walde
Was tut man, wenn man Kanzlerkandidat werden möchte? Man versucht sich mit einer zusätzlichen Profilierung jenseits der rein Politischen. Die Kunst verleiht bekanntlich viele Musen-Flügel. Das Herz des Finanzministers Peer Steinbrück schlägt neuerdings für das Kino. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sah man nun des Nachts in der Galerienfabriketage direkt am Checkpoint Charlie auf seinem ersten Rundgang im neu entdeckten Kunstkiez Kreuzberg in staatlicher Mission.
Ein „Schnupperkurs“ hatte ihn durch gleich mehrere Galerien geführt, 420 gibt es davon in Berlin. Tendenz wachsend. Allein im letzten Jahr eröffneten 60 neue Domizile. Der Abend in der Galerie Tammen endete mit dem Empfang einer bunt durchmischten Kunstgesellschaft und SPD-Intelligenzija. Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker gab künstlerische wie sensible Schützenhilfe. Regisseur und Schauspieler Hark Bohm, Autor Tilman Spengler, Kabarettistin Maren Kroymann, Regisseur und Schaupsieler Detlev Buck, Kirsten Harms, Intendantin der Deutschen Oper- sie alle trugen an diesem Abend lässig und entspannt zum erweiterten Berliner Kunstbegriff bei. Längst hat man im Bundeskanzleramt- im Gefolge Willy Brandts- erkannt, dass die Kultur, neben der Bildungspolitik ein wertvolles und zunehmen unerlässliches Instrumentarium der Außenpolitik ist. Politik, wenn sie gut ist, nutzt Kunst als Mittler und Kapital. „Sie ist ein Medium, in dem wir uns selbst auch neu sehen können“, betonte Steinmeier. Besonders in der Hauptstadt, die in der Szene ermüdend oft als „neues New York“ hochstilisiert wird, hat sie eine Scharnierfunktion. Im Schaufenster Berlin, so Steinmeier, formt sich ein „offenes, tolerantes Deutschland“. Kunst „made in Germany“ ist in den letzten Jahren ein wichtiges Medium geworden, um deutsche Kultur im Ausland zu repräsentieren. Und natürlich ein wachsender Wirtschaftsfaktor dazu. Dem Außenminister müssen die Ohren geklungen haben, bei so viel „Berlin-ist-toll-Gefühl“, das an diesem Abend nicht enden wollte. Künstler wie Galeristen mussten sich immer wieder versichern, dass in Sachen Kunst Metropolen wie „New York und London längst out“ seien, und „an Berlin in Europa kein Weg mehr vorbei“ führt. Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein würde hier allerdings gut tun. Den Standort seiner Rede hatte Steinmeier nicht von ungefähr gewählt, inmitten der der deutsch-chinesischen Ausstellung von Sebastian Heiner und Yongbo Zhao, der allerlei blutrünstige, schmachtende und glotzäugige Geister auf Leinwand beschwört. Ob Steinmeier diese düsteren Visionen gefielen, das blieb in dieser Nacht sein Geheimnis. Über die speziellen Kunstvorlieben unseres Außenministers wissen wir nach diesem Abend nicht mehr, nur dass drei Schumachers in seinem Büro hängen.