1995-02-11 | Tagesspiegel – Monstern die Hand gereicht
„Standpunkte“: Rafael Vostell zeigt junge Berliner Künstler
Annelie Lütgens
Grün ist die Farbe der Hoffnung. Auf einer hellgrün gestrichenen Wandfläche sind fünf hellgrüne Skulpturen befestigt. Oliver Oefelein hat sie aus Industriehartschaum ausgesägt. Die bizarren Wandgewächse (3000 bis 3900 DM) werfen Schatten. Gegenüber hängt ein großformatiges Pastell, in dessen Glasrahmen sich die Skulpturen spiegeln. Auf dem Papier hellgrüne Wellenstrukturen, darin die Silhouette eines der Hartschaumobjekte als gemalter Schatten integriert ist (5000 DM). So antwortet die Künstlerin Ka Bomhardt auf die Arbeit ihres Kollegen. Die Videoarbeit von Costantino Ciervo antwortet ihrerseits auf die Bewegungen des Besuchers. Auf sechzehn kleinen Bildschirmen erscheinen, von einem Bewegungsmelder in Gang gesetzt, Kombinationen von Begriffen und Bildern prominenter Persönlichkeiten. (11 000 DM).
Rafael Vostell hat bisher hauptsächlich Fluxuskünstler der 60er Jahre gezeigt, doch interessiert ihn genauso die Vielfalt künstlerischer Positionen in seiner eigenen Generation. Die 15 Berliner Künstlerinnen und Künstler, die er jetzt in seiner Ausstellung „Standpunkte“ zeigt, sind zwischen Anfang und Ende dreißig. Man weiß nicht, was man bewundern soll: die Offenheit und Risikofreudigkeit des jungen Galeristen oder den Reichtum der hier präsentierten Arbeiten. Höchst unterschiedliche Temperamente sind versammelt, die die verschiedensten künstlerischen Mittel souverän einsetzen, von altmeisterlicher Malerei (Albert M. Pümpel) über Fotografie (Jürgen Baumann) und konzeptueller Skulptur (Axel Lischke, Nadine Rennert), zu raumbezogener Installation von Zeichnung und Wandskulptur (Ka Bomhardt/Oliver Oefelein) oder interaktiver Video- und Klanginstallation (Costantino Ciervo, Chus López Vidal, Ottomar Kiefer). Nicht zu vergessen die groteske Trophäenwand der Künstlergruppe Dead Chickens, deren Monstern (3000 DM bis 12 000 DM) man beherzt die Hand schütteln kann. Dies alles trifft in den nicht gerade weitläufigen Galerieräumen aufeinander. Daß weder die Beliebigkeit eines Gemischtwarenladens aufkommt, noch die differenten Arbeiten sich gegenseitig behindern, ist der klugen Auswahl und spannungsreichen Inszenierung der Werke seitens des Galeristen und seiner Künstler zu verdanken. Ausstellungen wie diese, die auch manch institutionellem Spielort zeitgenössischer Kunst zur Zierde gereichen würde, sieht man in Berlin selten. Das Beispiel läßt hoffen.